Hintergründe
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24. Juni 2025 um 08:40 Uhr

„Tacheles“ reden: Sachsen feiert 2026 das Jahr der jüdischen Kultur

Jüdische Unternehmer, Künstler und Intellektuelle haben Sachsen über Jahrhunderte mitgeprägt und entscheidend zur Entwicklung des Freistaats beigetragen – vielen sächsischen Bürgern aber ist genau das nicht bekannt.

„Die Eisenbahn, die das Erzgebirge erschlossen hat, wurde maßgeblich von jüdischen Investoren mitgetragen“, antwortet Thomas Feist auf die Frage nach Beispielen. Er ist der Beauftragte der Sächsischen Staatsregierung für das Jüdische Leben.

Und Feist kennt noch viele weitere Beispiele: Auch in der Textilindustrie und der Musikgeschichte hinterließen jüdische Persönlichkeiten tiefe Spuren. So gründete etwa der Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy im Jahr 1843 mit dem Leipziger Konservatorium die erste Musikschule Deutschlands.

Jahr des jüdischen Lebens 2026

Um die Bedeutung für Sachsen bekannter zu machen, rückt der Freistaat das jüdische Leben und die jüdische Kultur 2026 in den Mittelpunkt – mit einem landesweiten Themenjahr. Unter dem Titel: „Tacheles“ und dem Motto: „Jüdisch – Sächsisch – Mentshlich“ sollen in möglichst vielen Regionen des Freistaates Veranstaltungen, Konzerte, Theaterstücke, Bildungsangebote und Diskussionsforen stattfinden.

„Wir wollen damit das Bewusstsein schärfen, was Sachsen dem Wirken vieler jüdischer Menschen zu verdanken hat“, erklärt Feist. Anlass für das Themenjahr sei unter anderem das 100-jährige Bestehen des ersten Landesverbandes jüdischer Gemeinden in Sachsen.

Entstanden ist die Idee im Rahmen der Diskussion, ob es in Sachsen nicht ein Museum für die jüdische Kultur geben solle. „Mit einem Themenjahr aber kommen wir in viel mehr Regionen, statt nur einen Ort zu schaffen“, sagt Feist.

Kulturstiftung fördert Projekt

Getragen wird das Themenjahr vom Sächsischen Kulturministerium, koordiniert vom Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz. Eine zentrale Rolle bei der Umsetzung spielt auch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen: Mit dem 2023 gestarteten Förderprogramm „Jüdisches Leben in Kunst und Kultur“ ermöglicht die Stiftung die Umsetzung vieler Veranstaltungen und Projekte.

Die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen gibt es seit 1993. Sie ist ein zentrales Element der Kulturförderung und stärkt die freie Entfaltung von Kunst und Kultur im Land.

Antisemitismus prägt Alltag

„Tacheles“ – das steht im jüdischen Kontext für Klartext und offene Auseinandersetzung. Darum soll es auch im jüdischen Kulturjahr gehen: um Dialog auf Augenhöhe, auch über das Thema Antisemitismus, das für viele Juden zum Alltag gehört. „Unter dem Deckmantel der Israel-Kritik hat der Antisemitismus zugenommen“, sagt Feist, der gerade erst seinen Jahresbericht veröffentlicht hat und das darin auch thematisiert. „Jüdinnen und Juden hierzulande werden für Ereignisse im Nahen Osten verantwortlich gemacht – das ist absurd.“

Das Themenjahr wird dem etwas entgegensetzen: Aufklärung und Bildung. Das jüdische Jahr sei auch ein Bekenntnis der Staatsregierung zum jüdischen Leben in Sachsen, sagt Feist. „Es geht darum, eine Brücke zu schlagen – zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart.“

Das Jahr der jüdischen Kultur wird gerade in einem herausfordernden Umfeld geplant: Wir erleben im Nahen Osten eine weiterhin existentielle Bedrohung des Landes Israel und ein Aufleben des Antisemitismus in Europa. Das zeigt, wie wichtig dieses Vorhaben gerade jetzt ist,“ sagt die CDU-Politikerin und sächsische Kulturministerin  Barbara Klepsch.

Daher wollen wir dieses Themenjahr, von dem wir uns eine nachhaltige Wirkung erhoffen, auch finanziell mit 900 Tsd. Euro aus dem neuen Landeshaushalt unterstützen. Jüdische Geschichte und Kultur ist vielfältig und facettenreich und gehört ganz selbstverständlich zu unserem Freistaat – das wollen wir deutlich machen,“ betont Klepsch.

(Bildnachweis: AdobeStock/Drazen I Sächsisches Staatsministerium für Kultus I Kulturstiftung des Freistaates Sachsen/Heike Antoci I Alexander Fuhrmann)